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Supplier Management & OEM Medizintechnik GMP |GRÜNEWALD

OEM- & Supplier-Management in der MedTec nach EU- (MDR/IVDR/ISO13485) und FDA:

Effizientes risikobasiertes Lieferanten-Management in der Medizintechnik

Fällt in der Herstellung von Medizinprodukten die Wahl auf Zulieferer oder Unterauftragnehmer, so ist die Zusammenarbeit mit ihnen und die Pflege der Beziehungen (Supplier-Management) von wesentlicher Bedeutung für die Produktkonformität. Der Artikel beschreibt die Vorteile eines risikobasierten Lieferantenmanagements. Dabei werden die zu treffenden Maßnahmen auf das mit dem Medizinprodukt verbundene Risiko abgestimmt. Die Kritikalität des Produktes wird dabei mit der Frage verknüpft, wie zuverlässig über die getroffenen Maßnahmen eine valide Aussage über den Lieferanten getroffen werden kann und kritische Einflüsse auf unzureichende Produktkonformität rechtzeitig entdeckt werden. Eine besondere Stellung nehmen Lieferantenbeziehungen zu Original Equipment Manufacturer (OEM) ein. Sie müssen auf der Grundlage der Medical Device Regulation (MDR) neu bewertet werden.

# ISO 13485, DIN EN ISO 19011, MDR 2017/745, IVDR 2017/746, Supplier-Management, Lieferantenmanagement, Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV), Risikobasierter Ansatz, Risked-Based Approach, Herstell- und Prüfprozesse, ISO 2859, Original Equipment Manufacturer (OEM), Private Label Manufacturer (PLM) , Hersteller, EU Bevollmächtigte, Importeur, Händler

An das QM-System des Herstellers wird nach ISO 13485:2016 Kapitel 7.4.1 folgende Forderung gestellt:

„Die Organisation muss Verfahren dokumentieren, um sicherzustellen, dass die beschafften Produkte den festgelegten Beschaffungsangaben entsprechen.“  Die Organisation muss Kriterien für die Beurteilung und Auswahl von Lieferanten festlegen. Diese Kriterien müssen:

  • auf der Fähigkeit des Lieferanten beruhen, Produkte bereitzustellen, die die Anforderungen der Organisation erfüllen,
  • auf der Leistung des Lieferanten beruhen,
  • auf dem Einfluss des beschafften Produktes auf die Qualität des Medizinproduktes beruhen,
  • dem mit dem Medizinprodukt verbundenen Risiko entsprechen.

Eine einfache Systematik zur Festlegung des Maßnahmenumfanges im Lieferantenmanagement orientiert sich an der Bedeutung der zu liefernden Produkte. Je bedeutungsvoller diese sind, desto mehr und im Aufwand umfangreichere Maßnahmen werden im Lieferantenmanagement ergriffen, siehe Bild 1.

Bei der Festlegung der Maßnahmen empfiehlt ISO 13485 einen risikobasierten Ansatz (s. Kap. 7.4.1.d). Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist von maßgeblicher Bedeutung für ein effizientes Lieferantenmanagement. Zwei Fragen müssen dabei betrachtet werden:

  • Wie zuverlässig ist eine Maßnahme oder ein Bündel von Maßnahmen in der Bewertung eines Lieferanten?
  • Wie hoch ist das Risiko, kritische Einflüsse auf die Produktkonformität nicht zu entdecken?

Je kritischer ein Lieferant bewertet wird, desto wirksamer sollte das Lieferantenmanagement sein. Tabelle 1 gibt einen Überblick zu gängigen Maßnahmen des Lieferantenmanagements.

(siehe Nr. 1-3 in Tabelle 1):  Die Verifizierung der Produktqualität durch statistische Auswertung der Prüfergebnisse liefert die zuverlässigsten Aussagen zur Fähigkeit eines Lieferanten, die geforderten Qualitäten herzustellen und zu liefern. Wenn die Auswertung beim Lieferanten stattfindet, ist es unabdingbar, die entsprechenden (Herstell- und) Prüfprozesse sachkundig zu auditieren. Die Audits schließen das Sammeln und Referenzieren auf entsprechende Nachweise mit ein.

(siehe Nr. 5 in Tabelle 1):  Ein Systemaudit des QM-Systems wird in der Bedeutung für das Supplier-Management häufig überbewertet. Die Zuverlässigkeit der Bewertung ist mittel, da ein Systemaudit das QM-System in den Mittelpunkt stellt, die Kernprozesse für den Liefergegenstand können wegen begrenzter zeitlicher Möglichkeiten oftmals nicht ausreichend tief auditiert werden. Es werden Stichproben, bezogen auf Normaspekte und Geschäftsvorfälle bearbeitet. Das Risiko, kritische Einflüsse auf die Produktkonformität nicht zu identifizieren, bleibt deshalb hoch. Hierzu tragen auch die fachlichen, methodischen und sozialen Schwerpunkte des Auditors bei. Typische Herausforderungen sind in Abschnitt 3 genannt.

(siehe Nr. 6, 7 in Tabelle 1): Die Bewertung von Lieferanten „vom Schreibtisch aus“ trägt zur Beherrschung von Risiken in der Lieferantenbeziehung am wenigsten bei. Sie ist aber ein beliebtes Werkzeug des Lieferantenmanagements, da eine einzelne Bewertung relativ wenig Aufwand erfordert. Viele Medizintechnik-Unternehmen fordern, diese Befragungen auf einen Großteil des Lieferantenportfolios auszudehnen, sodass durch die große Anzahl an Lieferanten trotz einfacher Maßnahmen erhebliche Ressourcen gebunden werden.

Zudem sind die dem Lieferanten zugesandten Fragebögen häufig sehr umfangreich und fordern deshalb auch auf Lieferantenseite einen erheblichen Aufwand zu deren Bearbeitung. Aufgrund der geringen Aussagekraft ist das Verhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis so schlecht, dass ernsthaft hinterfragt werden sollte, in welchem Rahmen diese Maßnahmen des Supplier-Managements den damit verbundenen Aufwand rechtfertigen.

Darüber hinaus haben die (Standard-)Fragelisten zu dieser Art von Audit eher das QM-System im Fokus als den technisch anspruchsvolleren Aspekt der Produktkonformität (s. auch Punkt 5).

Nach DIN EN ISO 19011 sind entsprechende fachliche Kompetenzen unerlässlich, um Managementsysteme auditieren zu können. Einige der dabei auftretenden Herausforderungen sind nachfolgend genannt.

 

Auditoren geben sich bei der Prüfung qualitativer Merkmale mit Sicherheits- und Funktionsrelevanz (Prüfung auf „trifft zu“ / „trifft nicht zu“) häufig mit einem entsprechenden Verweis auf die Norm ISO 2859 zufrieden, obwohl die dort beschriebenen Verfahren nicht geeignet sind und dies eine Nichtkonformität darstellt. Einzelheiten hierzu findet der Leser in dem Wissenswert Beitrag „Sichert AQL nach ISO 2859 bei attributiven Prüfungen wirklich Compliance?“

Die FMEA-Methode ist eine hocheffiziente Methode zur Identifizierung von Risiken, wenn sie Mitarbeiter mit entsprechender Ausbildung und Erfahrung zur Design- oder Prozessentwicklung einsetzen. Eine ebensolche Erfahrung ist notwendig, wenn Auditoren anhand der Dokumentation erkennen sollen, ob die vorhandene inhaltliche Tiefe und Struktur dem Betrachtungsgegenstand angemessen ist. Typische Beispiele sind Fragen, ob kritische Qualitätsmerkmale im Design nachvollziehbar auf funktionale und sicherheitskritische Anforderungen des Produkts zurückgeführt werden können oder ob die Bewertung von Risikominderungsmaßnahmen klar zwischen Entdeckungs- und Vermeidungsmaßnahmen unterscheidet.

Die sichere Anwendung statistischer Methoden ist eine wesentliche Voraussetzung, um die Güte gelieferter Produkte bewerten zu können, siehe Punkte 1 – 3 in Tabelle 1. Auditoren, welche sich mit den statistischen Grundlagen, wie z.B. mit systematischen und zufälligen Fehlereinflüssen und den daraus resultierenden Effekten auf die statistische Verteilung von Merkmalen oder mit Konfidenzintervallen für Mittelwerte nicht ausreichend beschäftigen konnten, fehlt die notwendige Grundlage, um die Gegebenheiten beim Lieferanten zuverlässig bewerten zu können. Eine beim Lieferanten vorliegende SOP „Statistik“ oder „Prüfprozesseignung“ ist bei weitem kein zuverlässiger Nachweis für den effizienten Einsatz statistischer Methoden.

Die Auditierung der Wirksamkeit von Trainingsmaßnahmen stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Sie setzt voraus, dass Auditoren sich mit den Grundlagen der Lerntheorie beschäftigt haben und erkennen, dass Nachweise über Leseschulungen, e-learning-Einheiten o.ä. lediglich der rechtlichen Absicherung dienen, aber über die Verinnerlichung der Inhalte und deren effiziente Umsetzung nichts aussagen.

Auditoren sollten hier auch hinterfragen können, ob die aufkommenden Trainingsbedarfe als Folge zunehmender Bürokratisierung durch die zur Verfügung stehenden Ressourcen überhaupt abgedeckt werden können. Wenn z.B. eine mittelständische Untereinheit eines Konzerns in 6 Monaten 80 geänderte globale Vorgaben umsetzen soll, besteht die Gefahr, dass die damit verbundene Bindung der Ressourcen die Mitarbeiter von den wesentlichen Verantwortungen abhält und kritische Abweichungen entstehen.

Wenn in einem anderen Beispiel mehr als 100 CAPA-Vorgänge bearbeitet werden sollen, könnte das ein deutlicher Hinweis sein, dass entweder bereits der Trainer oder die Trainierenden die wesentlichen Inhalte des vorbeugenden Managements zur Vermeidung von Fehlern nicht ausreichend verinnerlicht haben.

  • Grundlage einer konstruktiven Lieferantenbeziehung ist eine ausreichend spezifizierte Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV), in der die kritischen Merkmale zu den funktionalen und sicherheitskritischen Eigenschaften des Liefergegenstandes spezifiziert sind. (Dies ist eine Bringschuld des Inverkehrbringers, die oft nicht geleistet wird und zur Konsequenz hat, dass die darauf aufbauenden QM-Prozesse nur eingeschränkt wirksam sind.)
  • Ist der Risikobeitrag des Lieferanten zu den funktionalen und sicherheitskritischen Eigenschaften des Medizinproduktes hoch (weil er am Produkt Merkmale „herstellt“ und überwacht, die hohen Einfluss auf Funktion und/oder Sicherheit haben), so sind Maßnahmen zur Produktverifizierung, entweder in der eigenen Wareneingangskontrolle oder über entsprechend protokollierte Prüfungen beim Lieferanten, die erste Wahl. Die Eignung der Prüfprozesse beim Lieferanten muss bewertet sein (Bewertungsgegenstand von entsprechenden Prozessaudits).
  • Prozessaudits zu den Prüf- und Herstellprozessen oder Produktaudits tragen erheblich mehr zur Zuverlässigkeit der Bewertung bei als Systemaudits.
  • Binden vom Lieferanten ausgefüllte Fragebögen einen erheblichen Teil der Ressourcen des Supplier-Managements, so sollte geprüft werden, ob diese Maßnahmen tatsächlich wirksam sind und den damit verbundenen hohen Aufwand rechtfertigen. Ggfs. können die freiwerdenden Potentiale für die Verbesserung des Lieferantenmanagements in den wirklich bedeutsamen und kritischen Lieferantenbeziehungen genutzt werden.

Autoren und Feedback

Herr Dipl.-Ing. Martin Zierau ist Senior Compliance Spezialist / Berater bei der Grünewald GmbH. Wir freuen uns über Ihr Feedback zu diesem Wissenswert Beitrag an martin.zierau@gruenewald-gmbh.de.

GRÜNEWALD Beratungs- & Dienstleistungen zum Thema

Die Grünewald GmbH steht mit ihren Spezialisten / Beratern gerne für eine Effizienzanalyse im Lieferantenmanagement zur Verfügung. Die Analyse beinhaltet die gemeinsame Erarbeitung von realistischen und umsetzbaren Verbesserungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten des Kunden. Bei Bedarf begleiten wir auch die nachhaltige Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen aus der Effizienzanalyse.

Die Wirksamkeit wird anhand definierter quantitativer und qualitativer Faktoren zur Zielerreichung gemessen und dokumentiert.

Typische Themen sind: 

  • Kritische Qualitätsmerkmale erkennen und dem Lieferanten kommunizieren. Dies beseitigt auch eine ggfs. vorhandene Überforderung von Inverkehrbringer und Lieferant, wenn alle Produktmerkmale als „kritisch“ eingestuft sind.
  • Pragmatischer Umgang mit Standardkomponenten des Lieferanten, welche nicht alle kritischen Merkmale erfüllen, auf die man aber angewiesen ist, da die Bestellvolumina zu klein sind, um Sonderserien aufzulegen.
  • Inhaltliche Gestaltung von Qualitätssicherungsvereinbarungen, damit die wesentlichen qualitätsrelevanten Aspekte unter regulatorischen Gesichtspunkten berücksichtigt sind und eine nachhaltige Entwicklung der Lieferantenbeziehung fördern.
  • Konzeption von Auswertestrategien zur Bewertung der Lieferantenqualität und Auswahl passender Analysewerkzeuge, wie z.B. für Trandanalyse.
  • Begleitung und Training interner Auditoren auf der Grundlage des Grünewald-Erfahrungsportfolios, um z.B. die passende Herangehensweise zu identifizieren, damit systematische Fehlerursachen für fehlende Produktkonformität bereits nach kurzer Zeit aus den Antworten und Nachweisen des Lieferanten erkannt werden können.
  • Unterstützung in der Anpassung des bisherigen OEM-Geschäftes. Im Zuge der Einführung des MDR sind Original Equipment Manufacturer (OEM) und Private Label Manufacturer (PLM) nicht mehr zulässig. Das bisherige OEM-Geschäft sollte also in Zusammenarbeit mit den betroffenen Lieferanten bzw. Kunden zu einer MDR- / IVDR-tauglichen Lösung weiterentwickelt werden. Als neutraler Partner können GRÜNEWALD-Berater die Interessen beider Parteien vertreten und bei der Ausgestaltung der Lösung mit Empfehlungen und auch praktischer Zuarbeit unterstützen.
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